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  3. SultanSüleyman I. – Osmanische Eroberungen weisen Türken den Weg

Geschichte Vorbild Sultan Süleyman I.

“Wie damals drängen die Muslime nach Europa“

Sultan Süleyman I. führte im 17. Jahrhundert das Osmanische Reich auf den Gipfel seiner Macht.
  • Heute nennen der türkische Präsident Erdogan und viele seiner Anhänger den Sultan als ihr großes Vorbild.
  • Ein Forscher: Der Neo-Osmanismus sieht überall dort Einflussgebiete, wo einst die Osmanen herrschten.
Warum das wichtig ist:
Das Bild von Süleyman überblendet in der Türkei zunehmend die Erinnerung an den Republikgründer Kemal Atatürk.

Als der osmanische Sultan Süleyman I. am 6. September 1566 in seinem Feldlager in Südungarn an der Ruhr starb, hatte die Besatzung der von ihm belagerten Festung Szigetvár noch zwei Tage zu leben. Ohne Nachschub und Hoffnung auf Entsatz unternahm ihr Kommandant, der ungarische Graf Nikola Šubić Zrinski, mit den wenigen Hundert Überlebenden seiner Truppe einen Ausfall. Am Ende schmückte sein Kopf die Spitze einer türkischen Lanze.

Es war der letzte Sieg des Sultans, der schon den Zeitgenossen als „der Prächtige“ erschienen war. In seiner langen Regierungszeit von 46 Jahren hatte er das Osmanische Reich in den Rang einer Weltmacht geführt, die von Ungarn bis in den Sudan, vom Maghreb bis nach Mesopotamien reichte. Grund genug für zahlreiche Historiker, zu Süleymans 450. Todestag zu einer Konferenz in Szigetvár zusammenzukommen und seine Herrschaft, ihre Erfolge, aber auch ihre Hypotheken einer umfassenden Revision zu unterziehen.

Die Wissenschaftler begutachteten dabei auch die lange Spur, die Süleyman hinterlassen hat. So hatten seine 13 großen Kriegszüge, die allein zehn Jahre seiner Regierung ausmachten, den Staatshaushalt nicht nur in eine gefährliche Schieflage gebracht. Ihre Erfolge hinterließen seinen Nachfolgern auch ein gefährliches Erbe. Die riesige Armee, vor allem die stehende Elitetruppe der Janitscharen, verschlang Unsummen, die kaum mehr durch neue Kriege und Beutezüge aufgebracht werden konnten. Das machte diese Kriegersklaven zum Staat im Staate und damit zu einer gefährlichen Prätorianergarde, zumal wenn die Sultane sich lieber im Harem vergnügten, als die Regierungsgeschäfte selbst in die Hand zu nehmen.

Dennoch begann nicht schon damals der Niedergang des Reiches. Die Modernisierungsleistungen des Barocks setzten Europas Staaten noch keineswegs in den Stand, erfolgreich gegen die Osmanen Krieg zu führen. Noch 1683 hätte eine türkische Armee beinahe Wien eingenommen. Erst 150 Jahre nach Süleymans Tod gingen Ungarn und Teile Serbiens verloren. Weitere 100 Jahre später gelang mit Serbien dem ersten unterworfenen Land in Europa ein erfolgreicher Aufstand. Und weitere 100 Jahre sollten ins Land gehen, bis das osmanische Imperium im Ersten Weltkrieg unterging – zusammen mit seinen traditionellen Gegnern Russland und Österreich.

Auf ihrer Tagung, organisiert vom geisteswissenschaftlichen Forschungszentrum der ungarischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Pécs, widmeten sich die Historiker auch den historischen Bezügen zur aktuellen politischen Lage. „Es ist in gewisser Weise wie im 16. Jahrhundert“, sagt der Osmanologe Pál Fodor. „Wie damals drängen die Muslime nach Europa, wollten damals und wollen heute mehr Macht und Einfluss – und die Europäer sind heute, wie damals, in ihrer Reaktion darauf zerstritten und ratlos.“

Speziell in Ungarn rufe die Flüchtlingskrise die kollektive Erinnerung an die Türkenkriege ins Bewusstsein, sagt Fodor, als Leiter des Akademie-Instituts einer der Gastgeber. „Die ungarische Identität stützt sich unter anderem auf die Überzeugung, dass wir in jener Zeit die Verteidiger Europas waren und dass Europa uns in dieser Lage immer im Stich gelassen hat. Das ist eine Art verletztes, beleidigtes Erinnern. Und in der heutigen Flüchtlingskrise sehen die Ungarn etwas ganz Ähnliches. Dass sie erneut Europa gegen eine ,Invasion‘ aus der Richtung der Türkei verteidigen und dass ein undankbares Europa ihnen erneut den Rücken zukehrt.“

Die Verbindungen zur Gegenwart liegen für Fodor auf der Hand: „Ohne die Osmanen kein Habsburgerreich, zumindest nicht in der Gestalt, die es wegen der Türkenkriege annahm. Und ohne die Flüchtlingskrise gäbe es wohl nicht das heute sehr ausgeprägte Bündnis der Visegrád-Staaten Ungarn, Polen, Slowakei, Tschechien.“ Noch klarer komme die Ähnlichkeit zum Ausdruck in einer Forderung der österreichischen FPÖ nach einem engen Bündnis zwischen Österreich, Slowenien, Kroatien und den Visegrád-Ländern.

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Quelle: Die Welt

Zwar vermag auch Cemal Kafadar von der amerikanischen Harvard-Universität historische „Parallelen zu sehen“, verweist zugleich aber auch auf beträchtliche Unterschiede: „Habsburger und Osmanen dachten universell, es ging im Grunde um Weltherrschaft.“ Davon könne heute keine Rede sein. Zudem sei es gefährlich, Emotionen mit Verweisen auf die Vergangenheit zu schüren, etwa durch Warnungen vor einer neuen Türkengefahr oder – wie in der Türkei – durch die Glorifizierung längst vergangener Eroberungen.

Tatsächlich gebe es „eine Rehabsburgisierung und Reosmanisierung politischer Konzepte in Europa und in der Türkei“, sagt Kafadar. Der Professor für Türkische Studien hat die Namen von mehr als 1000 Fußballklubs in der Türkei analysiert und fand, „dass in den letzten zehn Jahren mehr als 50 ihren Namen geändert haben. Die neuen Namen nehmen alle Bezug auf osmanische Motive.“

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Es gebe einen neoosmanischen Diskurs in der Türkei, durchaus auch mit dem Anspruch auf „Einflussgebiete, Gebiete nationalen Interesses für die Türkei überall dort, wo einst die Osmanen herrschten“, warnt Kafadar. Dabei gehe es allerdings mehr über aktuelle Politik als um Geschichte: „Das sind nur Lippenbekenntnisse zur osmanischen Tradition. Im Namen der Wiedererweckung osmanischer Glorie wird oft Kitsch gebaut, Projekte, die das kulturelle Erbe der Osmanen mehr zerstören als restaurieren. Der Umgang mit dieser Vergangenheit ist teilweise manipulativ und verzerrend im Interesse politischer Zielsetzungen.“

„Es ist nicht sicher, ob das Bestand hat“

Das zeigt sich für Pál Fodor auch in den Debatten über Geografie in der Türkei seit dem Ende der 90er-Jahre und Forderungen, man müsse sich stärker mit „dem osmanischen Raum“ beschäftigen. Cemal Kafadar mahnt jedoch: „Diese modernen neoosmanischen oder neohabsburgischen Reflexe sind vielleicht nur ein Strohfeuer. Die Herausbildung der jeweiligen Identitäten in der Osmanen-Zeit dauerte über Jahrhunderte an, jetzt haben wir es mit Entwicklungen weniger Jahre zu tun. Es ist nicht sicher, ob das Bestand hat.“

Wie aber äußert sich der „Neo-Osmanismus“ in Europa? In einer „kulturellen Offensive“, meint Fodor. Überall in Südosteuropa restauriere die Türkei mit viel Geld Kulturdenkmäler aus der Osmanenzeit. „Eine selbstbewusstere Türkei will heute eine ähnlich starke Rolle spielen in Europa wie damals die Osmanen.“ Und er verweist auf die Leistung Süleymans und seiner Nachfolger: „Die Osmanen waren damals sehr erfahren darin, wie man auf dem Pulverfass Balkan Frieden und Stabilität sichern kann.“

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