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Süleymans Herz vereint Türken, Ungarn und Kroaten

Vernichtete das ungarische Königreich: Süleyman der Prächtige Vernichtete das ungarische Königreich: Süleyman der Prächtige
Vernichtete das ungarische Königreich: Süleyman der Prächtige
Quelle: picture alliance / CPA Media Co.
Der osmanische Sultan Süleyman der Prächtige wollte Wien erobern, doch er starb 1566 in Ungarn. Jetzt wurde die Stelle entdeckt, wo sein Herz begraben wurde. Eine Pilgerstätte zur Völkerverständigung.

Präzise freigelegt, ragen die Grundmauern eines alten osmanischen Gebäudes aus dem Boden. Acht mal acht Meter im Viereck, etwa ein Meter Erde musste dafür von den Archäologen abgetragen werden. Rundum Weinreben. „Szölöhegy“, Weinberg heißt dieser Ort nahe der südungarischen Stadt Szigetvár, und das ist er auch.

Zwischen den Mauerresten klafft ein tiefes Loch. „Grabräuber“, erklärt Forschungsleiter Norbert Pap von der Universität Pécs. „Wahrscheinlich Habsburger Truppen. Vor 330 Jahren.“ Vermutlich, so meint er, suchten die Österreicher hier nach dem „goldenen Topf“, in dem der Legende nach das Herz und die Innereien Sultan Süleymans begraben wurden, den selbst seine Feinde den „Prächtigen“ nannten. Denn „höchstwahrscheinlich“, so Pap, sei hier die Stelle, an der Süleyman im Jahr 1566 starb.

„Dies müssen die Grundmauern einer Moschee oder eines Türbe, also Mausoleums sein“, sagt Ausgrabungsleiterin Erika Hancz. „Diese Mauer hier ist genau nach Mekka ausgerichtet. Aber eine Moschee kann es nicht sein, denn es gibt keine Spuren eines Minaretts und auch keine Mihrab, eine Vertiefung in der Wand, die anzeigt, in welcher Richtung Mekka liegt.“

Süleyman hatte eigentlich nach Wien gewollt. 1529 war ihm die Eroberung der Kaiserstadt misslungen. Vielleicht diesmal, eine letzte Großtat zum Ende seiner langen Herrschaft. Aber er kam nur bis Szigetvár. Da stoppten 2300 Ungarn und Kroaten unter der Führung des ungarischen Magnaten und kroatischen Vizekönigs Miklós Zrinyi Süleymans riesige Armee. Bevor die Festung endlich fiel, hauchte der bereits greise Sultan seine Seele aus. Zwei Tage später starben auch Zrinyi und die letzten seiner Truppen bei einem verzweifelten Ausbruchsversuch.

Süleyman gilt als bedeutendster Herrscher der Osmanen. Seine Eroberungen in Europa, im Nahen Osten und in Nordafrika schienen die Türken zur Weltherrschaft zu bestimmen. Er unterwarf Rhodos, Teile Persiens, Nordafrika, weite Teile Südosteuropas. Seine Flotten beherrschten das Mittelmeer. Seine umsichtigen Gesetze stärkten den inneren Zusammenhalt des Reiches.

Sein Tod markiert einen Wendepunkt in der Geschichte. Nach ihm kam Stagnation, dann Niedergang. Süleymans „Herz, Leber, Magen und andere Innereien wurden entfernt und in einem goldenen Gefäß an diesem Ort begraben, wo Khan Süleymans Zelt stand“, schrieb der osmanische Reisende und Geschichtsschreiber Evlia Celebi im 17. Jahrhundert.

Süleymans Tod wurde sechs Wochen lang geheim gehalten, der einbalsamierte Leichnam nach Istanbul transportiert. Über der Todesstätte wurde später der Türbe errichtet, daneben eine Moschee, ein Derwischkloster und eine kleine Kaserne, um das Heiligtum zu bewachen. Mit der Zeit wurde der Ort zu einer Pilgerstätte, ein spirituelles Zentrum des Islam in Europa, sagt Pap.

„Orth wo der Türckhische Kaysßer Solimanus ist gestorben“

„Die Sache mit dem goldenen Gefäß ist Legende“, meint er, „sie hält sich aber so beständig, dass noch heute jedes Kind in der Region mit der Geschichte vom Herzen im goldenen Topf aufwächst“. Vom Tod des Sultans bis zur Gegenwart der Ausgrabung ist es eine lange Geschichte.

1693 ließ der österreichische Versorgungsoffizier Gallo Tesch das Mausoleum abreißen, um dessen Dach und Turmbedeckung sowie die vergoldete kugelförmige Turmspitze zu Geld zu machen. Der Zahn der Zeit nagte an den Ruinen, und irgendwann war keine Spur mehr zu sehen. Erste Forschungen begannen 1970. Die Sache schien klar – meinte doch die ganze Gegend zu wissen, dass eine 1770 errichtete Kirche genau über dem abgerissenen Türbe erbaut worden war. Aber weder unter noch neben der Kirche fand man etwas.

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Andere Lösungen schienen sich aus alten Landkarten zu ergeben. 1689 vermaß Leandro Anguissola die Burg von Szigetvár und notierte darauf einen „Orth wo der Türckhische Kaysßer Solimanus ist gestorben“. Eine zweite Vermessung aus dem 19. Jahrhundert vermerkte ebenfalls einen „türkischen Friedhof“, aber an anderer Stelle. Grabungen blieben ergebnislos.

Vor drei Jahren stellte Pap dann ein Projekt auf die Beine, das von der türkischen Regierung gefördert wurde (mittlerweile auch vom ungarischen Staat). Die Idee war, in Archiven nach neuen Dokumenten zum Türbe zu suchen und mit Computersimulationen die Landschaft im 16. Jahrhundert zu rekonstruieren.

Entscheidende Hinweise fand der Geograf Máté Kitanics im ungarischen Nationalarchiv sowie nebenan im örtlichen Kirchenarchiv. Dort war ein Landstreit aus dem Jahr 1737 dokumentiert. Darin berichtet ein greiser Herr Kolovics, wie das Mausoleum aussah, als er noch jung war, und wo es stand.

Zierkacheln wie am Grab Süleymans in Istanbul

Dort, am Weinberg, fanden die Forscher jede Menge osmanische Ziegelreste. Ein Computerprogramm verwandelte Daten zur Dichte der Trümmer pro Quadratmeter in eine Landkarte, auf der sich Stadtteile abzeichneten. Zwei Wohnviertel, zu deren Existenz die Wissenschaftler auch Hinweise in Dokumenten fanden. Um den Türbe war ein kleiner Ort entstanden. „400 bis 500 Menschen mögen hier gelebt haben“, meint Erika Hancz, „es gab eine Schule, eine Karawanserei und eine Moschee.“

Etwas abseits davon brachte Bodenradar die Umrisse eines größeren Gebäudes unter der Erde zutage: Die Grundmauern, die das Team nun ausgegraben hat. Sechs Meter daneben liegen die Reste einer dazugehörigen Moschee unter der Erde, meint Pap. Sie müssen erst noch ausgegraben werden.

„Wir fanden Zierkacheln wie jene von Süleymans Grab in Istanbul“, sagt Pap. Der Leichnam des Sultans – ohne Herz und Innereien – war in der Hauptstadt begraben worden. Aber sicher dürfen die Forscher noch nicht sein. Am heutigen Mittwoch wird der Fund offiziell bekannt gegeben, mit der Formulierung, es handele sich „wahrscheinlich“ um Süleymans Türbe, es müsse aber weiter geprüft werden.

Die Politik will darauf nicht warten: Für 2016 wird zum 450. Jahrestag der Schlacht ein Treffen der Präsidenten der Türkei, Ungarns und Kroatiens geplant.

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